Donnerstag, 1. Februar 2007

Stell dir vor...

Stell dir vor, du wärst Polizist. Du hast heute Dienst, verbringst diesen vollkommen langweiligen grauen Winternachtmittag auf deinem Polizeiposten. Es ist nicht viel los, du schaust immer wieder auf die Uhr - noch 4 Stunden, noch 3 Stunden, noch 2. Mittlerweile wünscht du dir schon, dass etwas passiert - irgendetwas, egal was. Hauptsache die Zeit bis Feierabend vergeht ein wenig schneller.

Plötzlich taucht eine junge Frau auf. Schon auf den ersten Blick erkennst du: Das könnte deine Rettung für die verbleibenden 2 Stunden sein. Sie schaut betrübt drein. Du grüsst und fragst, wie du ihr helfen kannst. Sie erzählt dir ihr Leid. Sie sei total fertig mit den Nerven. Es gibt da jemanden, der ihr das Leben zur Hölle macht und sie möchte eine Anzeige machen. Du wirst hellhörig - was ist da los? Ein Stalker? Ein prügelnder Ehemann? Ein eifersüchtiger Ex, der versucht sie mit irgendwas zu erpressen? Sie sagt, dass nicht nur sie betroffen ist, sondern einige andere auch noch. Wow, scheint ja eine grössere Sache zu sein. Jetzt nur nicht zu direkt rangehen. Lass sie reden. Frage nur, wenn es notwendig ist.

Da zieht sie eine CD aus der Handtasche. Sie schaut dich geheimnisvoll an und lässt dich wissen, dass alles wichtige auf dieser CD ist. Oh shit, das ist ja so ein Computerding. Wo du doch Computer auf den Tod nicht ausstehen kannst. Nach einigem Suchen findest du die Öffnung, in die du die CD stecken kannst. Sie setzt sich neben dich und zeigt dir den Inhalt der silbernen Scheibe. Lauter .jpg-Dateien. Was war .jpg nochmal gleich? Bilder, nicht? Ah, die kluge Frau hat den Tatort fotografiert. Du klickst das erste Symbol an - was ist das für ein komisches Bild, mit lauter Text darauf? Das muss wohl aus Versehen auf der CD gelandet sein, du öffnest das nächste Bild. Und wieder - Text. Verständnislos schaust du die junge Frau an, die dich ihrerseits verständnislos anschaut. In ihren Blicken kannst du ein "Ja versteht dieser Bulle denn nicht, um was es da geht?!?" lesen.

Du versuchst es nun mit einer ganz anderen Technik. Du forderst die Dame einfach auf, das Ganze mit ihren eigenen Worten zu beschreiben. Sie holt tief Luft und sagt: "Sehen sie das nicht?? Das sind Hardcopys einer Unterhaltung in der Community, in der ich immer online bin. Sehen sie nicht, wie mich die anderen Members beleidigen?" Hardcopys, Community, Members? Vielleicht hättest du im Unterricht doch besser aufpassen sollen. Du machst ein Bild nach dem anderen auf, der einzige Unterschied den du feststellen kannst sind die verschiedenen Farbenzusammenstellungen der Texte auf den Bildern. Die junge Dame wird ungeduldig. Du auch. Es bleibt dir wohl nichts anderes übrig, als dir ein Bild nach dem anderen genauer anzuschauen. Die verbleibenden eindreiviertel Stunden bis Dienstschluss dürften damit wohl ausgefüllt sein.

Bild nach Bild schaust du dir an. Du findest nichts weiter auffälliges, zumindest nichts, was eine Anzeige rechtfertigen würde. Das schlimmste ist ein "Supertrottel" - darauf eine Anzeige aufbauen zu wollen ist mehr als gewagt. Einige eher private Infos eines Communitymember (die Dame hat dir mittlerweile erklärt, was Hardcopy, Community und Members bedeutet) wurden ausgeplaudert, aber selbst das ist strafrechtlich nicht weiter relevant - es wurde ja wohl niemand gezwungen, private Informationen an andere weiterzugeben. Die Dame sagt, diese privaten Dinge würden so überhaupt nicht stimmen, sie wären frei erfunden. Auf meine Nachfrage, ob man das irgendwie beweisen könne, schüttelte sie ihren Kopf. Na dann...

Nach Durchsicht aller Hardcopys musst du die Dame enttäuschen. Eine Anzeige ist da wohl kaum zu machen. Du schlägst vor, die ganze Sache nochmal mit den Verantwortlichen der Community zu bereden, vielleicht können die helfen.

Die Dame geht ein wenig enttäuscht zur Tür raus. Noch 30 Minuten bis Dienstschluss. Ein grauer Winternachmittag. Du schaust zur Tür - und hoffst, dass sie in den nächsten 30 Minuten nicht geöffnet wird.
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Und jetzt kommt Marjorie ins Spiel. Natürlich wendet sich diese junge Dame an mich. Sie ist hier schon bekannt, es ist nicht die erste Beschwerde, die wir von ihr bekamen. Immer und immer wieder musste ich sie enttäuschen: Ich kann nicht helfen, wenn Streit provoziert wird. Ich kann nicht helfen, wenn persönliche Dinge wie Namen, Adressen, Telefonnummern, Familiengeheimnisse an andere weitergegeben werden und später dann vielleicht gegen einen verwendet werden. Da bin ich machtlos. Da hilft nur der Hausverstand. Und mit dem sind zum Glück viele gesegnet - und einige eben nicht.

Darum merke: Trau, schau, wem!

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